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Beitrag vom 24.06.2015
Gabriele Wohmann ist tot
Angelina Boczek
Die Schriftstellerin Gabriele Wohmann, die unermüdlich bis zuletzt schrieb, ist am 22. Juni 2015 83jährig in Darmstadt gestorben, der Stadt, in der sie 1932 als Gabriele Guyot geboren wurde.
Sie wuchs in einer Pfarrers-Familie auf, ihre Eltern waren NS-Gegner_innen, die es verstanden, ihre Kinder vor gewissen "Verpflichtungen" zu schützen und Gebote zu umgehen.
Ihre liebevollen Eltern hat Gabriele in dem autobiographischen Buch "Ausflug mit der Mutter" porträtiert, dort finden sich anrührende Stellen, die zeigen, wie sehr die Tochter mit ihren Eltern verbunden war. Mit dem Mann, den sie heiratete, Reiner Wohmann, verband sie sich nicht nur ab 1953 für die restliche Zeit ihres Lebens, sondern auch auf eine absolut unübliche Art und Weise: Reiner Wohmann war ihr Lektor, Archivar und "Manager", er unterstützte das Werk seiner Frau voll und ganz und gab ab 1980 sogar seinen Beruf auf zugunsten der Literaturproduktion seiner Frau, er trug bei zum "hemmungslosen Schreiben" der "Grafomanin"!
Es heißt, dass Gabriele Wohmann mehr als einhundert Bücher veröffentlichte, dazu kamen noch Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher für das Fernsehen und den Film, unzählige Briefe und Hunderte von Rezensionen. Gabriele Wohmann fürchtete, wie sie einmal bekannte, ihre "Daseinsberechtigung" zu verlieren, würde sie das Schreiben aufgeben. Die Themen ihrer Romane, Erzählungen und Essays speisen sich vor allem aus den Beziehungsgeflechten der Menschen untereinander, wir Leser_innen können in den Büchern der Wohmann verfolgen, wie Familien oder Paare, oft in einem gewöhnlichen Alltag, "ticken". Aber auch die "großen" Themen, Liebe, Tod und Krankheit, Verlust und Verrat, werden aufgeworfen. Sie war eine genaue Beobachterin, die ein zumeist bürgerliches Milieu kritisch, auch satirisch, oft sarkastisch darzustellen wusste.
Die Schriftstellerin hatte schon früh Erfolg, die "Gruppe 47" nahm die junge Kollegin gern als Mitglied auf, sie erhielt Literaturpreise und 1967 ein Stipendium für die Villa Massimo in Rom. Eine "erfolgreiche" Autorin, vergleichbar mit Siegfried Lenz, war Gabriele Wohmann wohl nicht, auch wenn ihre Werke längst Schullektüre waren: Die Beachtung ihrer Neuerscheinungen in der Literaturszene nahm mehr und mehr ab, wie sie selbst während eines Radio-Interviews beklagte, es fehle "die Werbung", die heutzutage doch enorm wichtig sei für ein Buch.
Die Wohmann war keine Autorin, die sich explizit mit Frauenfragen beschäftigte: "Die Feministinnen haben mir übel genommen, meine Literatur sein nicht feministisch genug".
Ihre Biografin Ilka Scheidgen dazu in ihrem Buch "Gabriele Wohmann. Ich muss neugierig bleiben. Die Biografie" (erschienen 2012 im Kaufmann Verlag):
"Gabriele Wohmann war, obwohl das von den meisten Kritikern, insbesondere den weiblichen, nicht so gesehen wurde, gerade mit ihren Darstellungen aus dem privaten Elend patriarchaler Unterdrückungsmechanismen, eine wichtige Vertreterin von feministischen Zielen".
Anlässlich ihres 70. Geburtstages notierte Ilka Scheidgen:
"Nur junge Leute geraten ins Schwärmen, was im Alter alles an Gutem und Schönem auf einen zukomme: mehr Weisheit, größere Gelassenheit ... Nichts ist damit bei mir! Es ist und bleibt doch so, wie James Joyce gesagt hat: Man lebt und weiß den Tod. Alles andere ist Beschäftigungstherapie".
Werke von Gabriele Wohmann
Jetzt und nie. Roman. (1958).
Ländliches Fest. Erzählungen. (1968).
Habgier. Erzählungen. (1973).
Paarlauf. Erzählungen. (1979).
Der Flötenton. Roman. (1987).
Bitte nicht sterben. Roman. (1993).
Das Hallenbad. Roman. (2000).
Fahr ruhig mal 2. Klasse. Erzählungen. (2004)
Eine souveräne Frau. Die schönsten Erzählungen. (2012)
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